Rassismus als alltägliche Erfahrung

Montag, 20. Februar 2023, Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte)/Kultur Kreis Kassel

Florence Brokowski-Shekete las aus ihren Büchern im Pavillon der Christuskirche

Portrait Florence Brokowski-Shekete mit Mikrofon

Kassel – Sie müsse warten, beschied ihr die Schulsekretärin, man sei beschäftigt. Am Ende wurde Florence Brokowski-Shekete doch noch zu ihrem eigenen Bewerbungsgespräch mit der Schulleitung vorgelassen. Dass eine Schwarze Frau nicht Reinigungskraft, sondern Pädagogin ist, entspricht nicht den gängigen Stereotypien und gehört zu einer der vielen Episoden von Alltagsrassismus, die zur Erfahrungswelt der Autorin gehören. Und an dieser ließ sie das Publikum im Gemeindesaal der Christuskirche teilhaben.

Das tat sie sprachlich pointiert, ohne Bitterkeit, aber mit viel analytischem Scharfblick und mit Humor. Im Gepäck hatte die Vollblut-Pädagogin, die inzwischen als Schulamtsdirektorin arbeitet, ihre Bücher „Mist, die versteht mich ja!“ und „Raus aus den Schubladen.“ Im autobiografischen Roman „Mist,die versteht mich ja!“ berichtet sie von ihrer Zeit bei ihren deutschen Pflegeeltern: Ihre leiblichen, zum Studieren aus Nigeria nach Deutschland gekommen Eltern, sahen keine andere Möglichkeit für die Zweijährige, als sie in Pflege zu geben. Die liebevolle und Ende der 60er-Jahre progressive Pflegemutter wurde zu „Mama“, die leiblichen Eltern „Mutti“ und „Papi.“ Eindrücklich beschreibt das erste Kapitel den inneren Zwiespalt des Kindes: Schwarz sein, sich weiß fühlen. Dieser Konflikt verschärft sich, als „Flori“ mit acht mit ihren leiblichen Eltern zeitweilig nach Nigeria zurückkehrt: Nichts ist„Heimat“, alles fremd. „In Nigeria war ich weiß“, heißt es. Und: „Das überlebe ich hier nicht.“

Für ihr zweites Buch „Raus aus den Schubladen“ hat die Autorin Gespräche mit hier lebenden Schwarzen Menschen und einer mit einem Schwarzen verheirateten Weißen geführt. Wenn der Nachname Boateng lautet, ist es mitunter auch für eine Weiße problematisch, eine Wohnung zu finden.

Im von Christiane Goebel von der Buchhandlung Brencher, Gastgeberin der Lesung, moderierten Gespräch spricht Brokowski-Shekete über das allzu menschliche Bedürfnis nach Kategorisierung in Schubladen und die Notwendigkeit, das immer wieder zu hinterfragen. Brokowski-Shekete hat ihren „Unsichtbarkeitsmantel“ abgestreift, um Strukturen von Diskriminierung aufzudecken. Dankbarer Beifall. Foto: Star-Media/Imago

Artikel von SUSANNA WEBER